Saturday, March 25, 2017

"Akute Kriegsgefahr in Europa“ Wolfgang Bittner Interwiew mit Deutsche Wirtschaftsnachrichten:

„Wir haben eine akute Kriegsgefahr in Europa“ 

Der renommierte Schriftsteller Wolfgang Bittner hat seine literarische Arbeit unterbrochen, weil ihn die Kriegsgefahr, die in Europa herrscht, zu sehr aufwühlt. Im Interview erklärt er, warum er fürchtet, dass eine Art Nebenregierung in den USA zum Äußersten entschlossen sein könnte. 
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Ein US-Panzer vom Typ M1A2, während der über Monate laufenden Nato-Übrung Atlantic Resolve, im Januar 2017 in Swietozow in Polen. (Foto: U.S. Army Staff Sgt. Micah VanDyke)
Ein US-Panzer vom Typ M1A2, während der über Monate laufenden Nato-Übrung Atlantic Resolve, im Januar 2017 in Swietozow in Polen. (Foto: U.S. Army Staff Sgt. Micah VanDyke)
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Nach dem Fall der Berliner Mauer bestand vielerorts die Hoffnung auf ein friedliches und vertrauensvolles Zusammenleben zwischen Ost und West. Der russische Präsident Gorbatschow sprach von einem „gemeinsamen Haus Europa“. Davon sind wir heute weit entfernt. Woran liegt das?
Wolfgang Bittner: Seit mehreren Jahren herrscht wieder Kalter Krieg. Europa ist erneut von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer gespalten – ich empfinde das als eine Jahrhunderttragödie. Angefangen hat es mit der Ausdehnung der NATO nach Osten, entgegen den Gorbatschow 1990 gegebenen Versprechungen. Mit der Ukraine-Krise begann 2014 die Aufrüstung der russischen Anrainerstaaten und parallel dazu eine an Bösartigkeit kaum zu überbietende Propaganda-Kampagne gegen Russland.
Das hat zu der heutigen, brandgefährlichen Situation geführt, an der nach meinen Untersuchungen ganz eindeutig die westliche Allianz aus USA, NATO und EU die Schuld trägt. Zum einen wurde der Regimewechsel in der Ukraine jahrelang subversiv vorbereitet. Die ehemalige EU-Beauftragte der US-Regierung, Victoria Nuland, hat sich bekanntlich damit gebrüstet, dass die USA mehr als fünf Milliarden Dollar in den Regime Change investiert haben. Zum anderen war die Strategie der westlichen Allianz vor vornherein darauf angelegt, sich die Ukraine als ein Brückenland von großer geostrategischer Bedeutung und auch als Wirtschaftsraum und Tor zu den Ressourcen Russlands einzuverleiben.
Mit der Abspaltung der Krim nach dem Putsch in Kiew und dem von Poroschenko begonnenen Krieg gegen die Ostukrainer fand dann der Westen einen Anlass für die Sanktionspolitik. Das Ziel war und ist, Russland durch Wirtschaftssanktionen, Beeinflussung der Kapital- und Energiemärkte und durch die aufgezwungenen Aufwendungen für Nachrüstung in den Ruin zu treiben. Das ist keine Verschwörungstheorie, vielmehr hat der ehemalige US-Vizepräsident Joe Biden in einer Rede in Cambridge zugegeben, dass man Russland ruinieren wolle. Er hat sogar geprahlt, Präsident Obama habe die europäischen Politiker mit Nachdruck dazu gebracht, gegen anfängliche Widerstände an den Sanktionen teilzunehmen. Russland soll sich den westlichen Kapitalinteressen öffnen. Das wäre zwar vorteilhaft für den Westen, aber nicht für die russische Bevölkerung. Und da sich Russland nicht unterwirft, wird es isoliert und bekämpft.
An den russischen Grenzen wird eine gewaltige Militärmaschinerie aufgebaut – und es ist keineswegs abwegig, darin Kriegsvorbereitungen zu sehen. Michail Gorbatschow hat gesagt, über uns schwebe wie ein Damoklesschwert die Gefahr eines Atomkrieges, der alles zunichtemachen würde. Und er hat gesagt, eine der wichtigsten Freiheiten sei die Freiheit von Angst und dass die Bürde der Angst und der Stress, sie zu ertragen, heute von Millionen Menschen gespürt werde. Hauptgrund dafür seien der Militarismus, der erneute Rüstungswettlauf und die bewaffneten Konflikte in aller Welt, für die zum großen Teil die USA verantwortlich sind. Er rief dazu auf, die Menschheit von der Angst vor einem großen Krieg zu befreien. Dem kann ich mich nur anschließen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Einem breiteren Publikum sind Sie als Romanautor – auch für Kinder und Jugendliche –, Essayist und Lyriker bekannt. Was hat Sie dazu bewogen, sich in ihrem Buch „Die Eroberung Europas durch die USA“ mit einem geopolitischen Thema zu beschäftigen?
Wolfgang Bittner: Ich habe Anfang 2014 festgestellt, dass wir von den Medien und den Politikern über die Vorgänge in der Ukraine, die dann zur sogenannten Maidan-Revolte geführt haben, nicht korrekt unterrichtet wurden. Das hat mich zuerst irritiert und schließlich mehr und mehr empört. Ich habe seit meiner Jugend in der Nachkriegszeit, als ich in einem Barackenlager aufwuchs, ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Das wurde gravierend verletzt, und so kam es, dass ich begann, mich mit den Hintergründen und Ursachen der Ukraine-Krise zu befassen. Ich unterbrach die Arbeit an einem Roman und schrieb zunächst aufgrund meiner Recherchen mehrere Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften. Als ich feststellen musste, dass daraufhin mehrere Kontakte zu Medien, denen ich jahrelang verbunden war, abrissen, veröffentlichte ich meine Artikel und Essays in Internetforen, die mir gewogen waren. Erst nachdem ich zahlreiche Informationen angesammelt hatte, begann ich das Buch „Die Eroberung Europas durch die USA“ zu schreiben, das dann schon im Herbst 2014 erschien. Die Arbeit daran, die sich bis in die Gegenwart fortsetzt, hat mich völlig absorbiert, auch emotional stark beschäftigt und von meiner eigentlichen schriftstellerischen Arbeit abgebracht. Aber ich habe den festen Vorsatz, demnächst wieder literarisch zu arbeiten und vor allem meinen angefangenen Roman zu Ende zu bringen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie waren vor kurzem in Russland. Wie empfinden die Menschen dort die Sanktionspolitik des Westens?
Wolfgang Bittner: Viele Menschen in Russland verstehen nicht, warum der Westen und insbesondere Deutschland gegen Russland Sanktionen verhängen. Sie sind zutiefst enttäuscht von dieser anmaßenden Politik. Die Menschen leiden – mehr oder weniger bewusst – unter der Teuerung durch die Sanktionen und die Isolationspolitik. In den ländlichen Gebieten macht sich das nicht so bemerkbar wie in den großen Städten. Natürlich ist die Wirtschaft betroffen: Maschinenbau, Technologie oder chemische Industrie.
Aber ich bin auf meiner Reise, die mich nach Moskau, Sankt Petersburg und an die Wolga geführt hat, überall sehr freundlich aufgenommen worden. Das Interesse an Deutschland ist nach wie vor groß, die Einstellung wohl der meisten Russen – trotz des hohen Blutzolls im Zweiten Weltkrieg und der erneuten Aggressionspolitik – außerordentlich positiv. Das beruht übrigens auf Gegenseitigkeit: Nach Umfragen zum Beispiel der Körber-Stiftung sprechen sich 84 Prozent der Russen und 95 Prozent der Deutschen dafür aus, dass sich Russland und die EU wieder politisch annähern.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass die deutsch-russischen Beziehungen unter der aktuellen Situation langfristig leiden werden?
Wolfgang Bittner: Es sieht so aus, dass die Bevölkerung beider Länder die Beziehungen gern vertiefen möchte, die Wirtschaft sowieso. Dem steht aber diese unsinnige und hochgefährliche Konfrontationspolitik entgegen, die uns von den USA aufgezwungen worden ist. Die kulturellen Verbindungen sind brüchig geworden, in den vergangenen vier Jahren ist das bilaterale Handelsvolumen um etwa 40 Prozent eingebrochen, die deutschen Ausfuhren nach Russland sind erheblich gesunken.
In Moskau kam ich zufällig mit dem leitenden Mitarbeiter einer deutschen Firma für technische Geräte ins Gespräch, der die Wirtschaftssanktionen für eine Schande hält. Er war ziemlich aufgebracht und meinte, das sei ein Armutszeugnis für die deutsche Politik, vollkommen unsinnig und in erheblichem Maße schädigend für die Wirtschaft. Über Jahre hinweg aufgebaute Handelsbeziehungen würden gekappt, und weil die russischen Partner kein Vertrauen mehr in die Zuverlässigkeit der deutschen Firmen hätten, orientierten sie sich inzwischen anderweitig, was zu erheblichen Verlusten führe. Er sah in dem Vorwurf der Krim-Annexion nur einen Vorwand und war der Überzeugung, dass die USA die Zusammenarbeit deutscher Firmen mit Russland verhindern wollen.
Besonders tragisch ist die menschliche Entfremdung durch diese menschenverachtende Politik. Nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs war es doch geradezu ein Wunder, dass die Menschen in Russland und die russische Regierung den Deutschen die Hand gereicht haben. Dieses Entgegenkommen, die große Bereitschaft zu verzeihen, setzen wir zurzeit aufs Spiel. Das beklagt auch der SPD-Politiker und Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums, Matthias Platzeck, der sich für einen breiten Dialog zwischen Deutschland und Russland engagiert. Bedauerlicherweise verfolgt die SPD in dieser Frage eine Sowohl-als-auch-Politik, wonach beide Seiten gleichermaßen Schuld an der Situation haben, was nachweislich nicht stimmt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie beurteilen Sie die weitere Entwicklung in den wirtschaftlichen Beziehungen?
Wolfgang Bittner: Wir haben es nicht nur mit gravierenden globalpolitischen Problemen zu tun, sondern ganz konkret auch mit wirtschaftlichen Konsequenzen. Der Schaden ist schon jetzt enorm, und Wirtschaftsanalysten beklagen den Mangel an Weitsicht bei den europäischen Politikern. Russland wird sich immer mehr den BRICS-Staaten, vor allem China zuwenden, und dadurch werden unwiederbringliche Schäden für Deutschland und Westeuropa entstehen. Der deutschen Wirtschaft wird zum Beispiel die Möglichkeit genommen, sich an einem der größten Wachstumsprojekte der Gegenwart zu beteiligen: Dem Aufbau der Infrastruktur Eurasiens von Moskau bis China und Indien. Zu bedenken ist auch, dass die sogenannten Aufstrebenden Länder mit 85 Prozent der Weltbevölkerung schon heute einen Anteil von mehr als 50 Prozent an der Weltwirtschaftsleistung haben. Dort wird ein von den USA unabhängiges Finanzsystem aufgebaut. Finanzexperten sehen dort die Zukunft – das scheint vielen europäischen Politikern gar nicht bewusst zu sein. Mit der militärischen Aufrüstung und mit den Kriegen, an denen wir uns entgegen den Bestimmungen unserer Verfassung inzwischen weltweit beteiligen, wird im Übrigen auch unser Sozialsystem immer weiter abgebaut, wodurch die Existenzangst weiter Teile der Bevölkerung zunimmt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Halten Sie die Verhärtung der Fronten zwischen dem „westlichen Lager“ und Russland für gefährlich? Könnte es zu einem Krieg kommen?
Wolfgang Bittner: Zu befürchten ist, dass die Hardliner und Lobbyisten der Rüstungsindustrie im US-Kongress tatsächlich auf einen Krieg aus sind. Nun deutete sich ja nach dem Regierungswechsel in Washington eine Änderung des Verhältnisses zu Russland an. Ob jedoch der neue Präsident Donald Trump seine ursprünglichen Vorstellungen durchsetzen kann, ist äußerst fraglich. Schon jetzt, nach wenigen Wochen seiner Amtszeit, wird deutlich, dass seine Gegner, denen er in seiner Antrittsrede Misswirtschaft und Korruption vorgeworfen hat, das versprochene Tauwetter verhindern und immer wieder Öl ins Feuer gießen.
Es gibt in den USA offensichtlich eine Art Nebenregierung aus global agierender Hochfinanz in Verbindung mit dem militärisch-industriellen Komplex, den Geheimdiensten, der Fed und anderen Institutionen des Machtapparats. Ihnen ist nicht an Frieden in der Welt und auch nicht an einem friedlichen und prosperierenden Europa gelegen. Sie bestimmen nach meinem Eindruck die Politik entsprechend einer Langzeitstrategie, die beispielsweise der Politikwissenschaftler und langjährige Regierungsberater Zbigniew Brzezinski eindrucksvoll in seinem 1997 erschienenen Buch „Die einzige Weltmacht“ dargestellt hat. Er schrieb, dass die USA ihre globale Vormachtstellung nur erhalten könnten, wenn sie das Aufkommen einer dominierenden Macht auf dem eurasischen Kontinent verhindern würden. Für die einzige Supermacht USA ist nach Brzezinski – jedenfalls aus damaliger Sicht – Eurasien das Schachbrett, auf dem sich der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielt.
Wenn wir dazu die Aussagen republikanischer Bellizisten wie McCain oder George Friedman oder von NATO-Befehlshabern wie Philip Breedlove nehmen – aber auch Hillary Clinton und ihr Anhang gehören dazu – dann kann einem angst und bange werden. Friedman, der Direktor des einflussreichen Think Tanks Stratfor war, hat das in einer Rede auf den Punkt gebracht: Ziel der US-Politik seit einem Jahrhundert sei gewesen, ein Bündnis zwischen Russland und Deutschland zu verhindern. Denn wenn sich deutsches Kapital und deutsche Technologie mit russischen Rohstoff-Ressourcen und russischer Arbeitskraft verbänden, entstünde für die USA eine wirtschaftliche und militärische Konkurrenz, die nicht hinnehmbar sei.
Daher habe man einen „Cordon Sanitaire“ – so Friedman –, also einen Sicherheitsgürtel um Russland herum aufgebaut. Die unglaubliche Hybris dieses amerikanischen Establishments kommt zutage, wenn es weiter heißt, dass die USA aus ihrem fundamentalen Interesse alle Ozeane der Welt kontrollieren und jederzeit überall intervenieren könnten, ohne selbst angegriffen zu werden. Das ist die Imperialpolitik und die Vorstellung von einer unipolaren Welt, mit der wir es zu tun haben und vor der unsere Politiker und ihre Medien die Augen verschließen, aus welchen Gründen auch immer. Ich halte das für unverantwortlich. Seit Beginn des Ukraine-Konflikts haben wir akute Kriegsgefahr, was aber von einem großen Teil der Bevölkerung, die völlig indoktriniert ist, gar nicht wahrgenommen wird.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was müsste die deutsche Politik tun, um die Lage zu deeskalieren?
Wolfgang Bittner: Als erstes müssten die von den USA oktroyierten Sanktionen zurückgenommen werden. Es ist doch unbegreiflich, wenn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die Konfrontationspolitik gegen Russland fortsetzen will und dafür in der EU eintritt, obwohl vom US-Präsidenten, der Donald Trump nun einmal ist, Tauwetter angesagt wurde. Des Weiteren müsste sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die NATO-Truppen von den russischen Grenzen zurückgezogen werden. Die aus Polen und von den Baltischen Staaten kommende Behauptung, Russland wolle sie angreifen, ist völliger Unsinn.
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gesagt, dass die Vorstellung, Russland könnte in Polen oder im Baltikum einmarschieren, realitätsfremd sei. Er hat vor einem neuen Rüstungswettlauf mit Russland gewarnt und die Notwendigkeit der Stationierung von NATO-Verbänden in Osteuropa bezweifelt. Dass insbesondere deutsche Truppen wieder an der russischen Grenze stationiert und noch dazu mit Führungsaufgaben betraut werden, hält er für einen großen Fehler und nach den schrecklichen Erfahrungen der Vergangenheit für eine politische Entgleisung.
Wolfgang Bittner. (Foto: Achiv W. Bittner)
Wolfgang Bittner. (Foto: Achiv W. Bittner)
Wenn das schon ein ehemaliger deutscher Bundeskanzler sagt, wäre es hoch an der Zeit für die Bundesregierung, der Aggressionspolitik der NATO, die sich von einem Verteidigungsbündnis zu einem Angriffsbündnis entwickelt hat, gegenzusteuern. Anfang der 1990er Jahre, als der Warschauer Pakt aufgelöst wurde, ist auf Betreiben der USA versäumt worden, die NATO zugunsten eines gesamteuropäischen Verteidigungsbündnisses unter Einbeziehung Russlands aufzulösen. Die Folgen spüren wir jetzt. In Deutschland müsste sich endlich ein Problembewusstsein dafür entwickeln, was es für Russland bedeutet, wenn 120 Kilometer vor der Stadtgrenze von Sankt Petersburg deutsche Soldaten und NATO-Panzer in Stellung gehen. An der „Ostflanke“ der NATO, wie es offiziell heißt, und das klingt in meinen Ohren nach „Ostfront“.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass es innerhalb des deutschen politischen Establishments Kräfte gibt, die willens und in der Lage wären, sich dem Konfrontationskurs Washingtons zu widersetzen?
Wolfgang Bittner: Dazu gehören nicht nur Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder oder der ehemalige SPD-Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine (jetzt DIE LINKE) oder der ehemalige Planungschef im Bundeskanzleramt Albrecht Müller und Matthias Platzeck von der SPD. Da ist auch Willy Wimmer (CDU), Ex-Staatssekretär im Verteidigungsministerium und seinerzeit Vizepräsident der OSZE, da ist Sahra Wagenknecht von der LINKEN, General a.D. Harald Kujat, der dem NATO-Militärrat vorsaß, da war der verstorbene Altkanzler Helmut Schmidt – um ad hoc nur einige wenige gutwillige Repräsentanten einer anderen Russland-Politik zu nennen. Es ist natürlich schwierig, gegen die aus meiner Sicht verantwortungslose Politik, die Frau Merkel repräsentiert und die von den Mainstream-Medien beflissen begleitet wird, anzugehen. Aber immer mehr erfahrene ältere Politiker, Publizisten und Wissenschaftler, aber auch Künstler, Schriftsteller, Gewerkschafter und hochrangige Militärs beziehen – unabhängig von Parteizugehörigkeiten – Stellung gegen die Konfrontationspolitik der westlichen Allianz. Sie werden zum großen Teil von den Medien boykottiert.
Selbst der jahrelang in die Talkshows, Politiksendungen und Diskussionsrunden eingeladene „Elder Statesman“ Helmut Schmidt kam dort nicht mehr vor, nachdem er vor der Gefahr eines dritten Weltkriegs gewarnt und der EU Größenwahn vorgeworfen hatte. Seine Meinung war plötzlich nicht mehr gefragt, sie passte nicht ins Bild. Und so geht man mit vielen kritischen Menschen um. Den dafür Verantwortlichen ist offenbar nicht klar, was sie der angeblich gelebten Demokratie damit antun. Hinzu kommt, dass aufgrund des zunehmend kritikfeindlichen, repressiven Klimas in der Bundesrepublik immer weniger Menschen es wagen, ihre Meinung öffentlich zu äußern. Außerordentlich bedauerlich finde ich, dass es in der Wirtschaft – nach anfänglichem Widerstand – kaum noch Protest gegen die Sanktionspolitik gibt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass sich die EU Schaden zufügt, sollte sie Russland aus dem „gemeinsamen Haus“ Europa herausdrängen?
Wolfgang Bittner: Russland ist das größte Land Europas, das wird verdrängt und gerät allmählich in Vergessenheit. Zwischen Deutschen und Russen gab es jahrhundertelang intensive Handelsbeziehungen, kulturellen und wissenschaftlichen Austausch. Was wäre unsere Kultur ohne die russische Literatur, Kunst, Musik, ohne das russische Theater? Ich nenne nur die Schriftsteller und Dichter Tolstoi, Dostojewski, Tschechow, Gorki, Puschkin, Jewtuschenko, die Maler Jawlenski, Malewitsch oder Repin (ich habe sofort die Wolga-Treidler vor Augen), die Musiker Prokofjew, Schostakowitsch oder Tschaikowski (ich höre die Nussknacker-Suite). Puschkin las Goethe, Goethe las Puschkin, bis heute wird in Russland Heinrich Heine verehrt und Beethoven bedankte sich bei der Zarin Elisabeth für großzügige Zuwendungen mit der Komposition der Polonaise op. 89. In seiner Rede 2001 vor dem Deutschen Bundestag – das war damals noch möglich! – nannte Wladimir Putin Goethe, Schiller und Kant, und er sagte, dass Kultur immer unser gemeinsames, völkerverbindendes Gut war. Sollte das wirklich der Vergangenheit angehören?
Wenn nicht bald ein Wandel in der Politik eingeleitet wird, entstehen in der Tat irreparable Schäden. Politiker wie Sigmar Gabriel oder Jean-Claude Juncker haben zwar vor einiger Zeit für ein besseres Verhältnis zu Russland geworben – vielleicht auf Druck aus der Wirtschaft –, aber sie wurden gerügt, und dann war das schnell vergessen. Gabriel ist nach meinem Eindruck ohnehin nicht zu trauen, er betreibt die übliche scheinheilige Ostpolitik der SPD, die von der CDU-Politik kaum abweicht. Was soll man davon halten, wenn er kürzlich bei einem Besuch in Polen von russischer Aggression spricht und am nächsten Tag in Moskau für bessere Beziehungen wirbt; ebenso bigott hat sich Frank-Walter Steinmeier als Außenminister verhalten. Da wird klar, dass die Vorgaben für die deutsche Ostpolitik aus Washington kommen. Daran wird sich auch unter Donald Trump nichts ändern und wohl auch nicht nach einem Regierungswechsel in Deutschland. Es fehlt an Persönlichkeiten in der Politik, die ernsthaft die Interessen der Bevölkerung und ihre souveränen Rechte in den Blick nehmen und gegenüber den Vereinigten Staaten durchsetzen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Medien in Deutschland sehen die Schuld bei Russland und vor allem bei Präsident Putin. Gibt es Gründe, warum sich die Medien nicht differenzierter mit dem Ukraine- Konflikt oder der Krim-Frage auseinandersetzen?
Wolfgang Bittner: Viele westlichen Medien betreiben in skandalöser Weise Regierungspropaganda – ein Teil sogar Kriegshetze. Das wird einer immer skeptischer werdenden Öffentlichkeit als objektiv verkauft, und die Aggressionspolitik des Westens ist angeblich zum Schutz der „westlichen Wertegemeinschaft“ vor den kriegslüsternen Russen notwendig. Sie hätten völkerrechtswidrig die Krim „annektiert“, lesen und hören wir, und damit begründen die Politiker die Sanktionen und Aggressionen gegen Russland. Bei genauerem Hinsehen handelte es sich jedoch nicht um eine Annexion, sondern um eine Sezession, das ist ein wesentlicher Unterschied. Denn es gab keine gewaltsame Aneignung der Autonomen Republik Krim durch Russland, sondern nach dem Staatsstreich eine friedlich verlaufene Abspaltung von der Kiewer Ukraine, in dessen Parlament heute Faschisten sitzen. Es fanden freie Wahlen statt, eine Erklärung der staatlichen Unabhängigkeit und danach der Beitritt zur Russischen Föderation. Das ist unter Berücksichtigung der Ereignisse auf dem Maidan völkerrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einer Wahlbeteiligung von 83 Prozent sprachen sich mehr als 96 Prozent der Krimbewohner für den Anschluss an Russland aus.
Hinzu kommt ein militärstrategischer Aspekt. Es ist wohl kaum davon auszugehen, dass die westlichen Militärs so dilettantisch sind oder so naiv waren anzunehmen, dass Russland die fortschreitende Einkreisungspolitik widerstandslos hinnehmen und seinen Flottenstützpunkt in Sewastopol in Frage stellen lassen würde. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Krim seit 1783 zu Russland gehörte und erst 1954 von Chruschtschow – man sagt, in einer Wodka-Laune – an die Ukraine „verschenkt“ wurde, was seiner Zeit nicht mehr bedeutete, als dass innerhalb der Sowjetunion eine Region einer anderen Provinz zugeordnet wurde.
Wenn die Politiker – nicht nur in dieser Frage – die Fakten vernebeln oder verdrehen, wären die Medien zur Überprüfung der Sachlage und entsprechender korrekter Berichterstattung verpflichtet. Aber eine Presse, die gegensteuern müsste, gibt es kaum noch. Ich habe oft den Eindruck, dass irgendwelche dubiose „Agenturen“ Informationen verbreiten, die vollkommen unkritisch oder sogar bereitwilligst übernommen werden. Das bestätigen übrigens wissenschaftliche Untersuchungen darüber, welchen fremdbestimmten Einflüssen nicht wenige Politiker und Journalisten unterliegen.
Auch was sich bei der Befreiung Aleppos von den Terrormilizen (ein legitimes Anliegen der syrischen Regierung) an Feindpropaganda gegen Syrien und Russland abgespielt hat, ist ein Tiefpunkt des deutschen Journalismus. Vergleichsweise wird über die von den USA koordinierte massive Bombardierung Mossuls kaum und völlig anders berichtet.
Der Grund für dieses Versagen der Medien, der ehemals Vierten Gewalt im Staat, liegt darin, dass viele leitende Journalisten – wie auch führende Politiker – den von den USA und der NATO über Jahre hinweg eingerichteten Netzwerken angehören oder ihnen zumindest nahestehen. Dazu gehören beispielsweise die Atlantik-Brücke, Goldman Sachs Foundation, The American Interest, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Atlantische Initiative und Münchner Sicherheitskonferenz. Die Einbindung in solche US- und NATO-affinen Strukturen führt dann zu einer bestimmten einseitigen, verfälschenden Berichterstattung, wie wir tagtäglich feststellen können. Auch darüber gibt es inzwischen wissenschaftliche Untersuchungen, die das belegen. Ich bin in meinem Buch „Die Eroberung Europas durch die USA“ darauf eingegangen.
Im Fokus steht der russische Präsident Putin. Weil er der US-Regierung die Stirn geboten hat, wird er niedergemacht, um ihn als Machtfaktor in der internationalen Politik auszuschalten. Es gibt auch Versuche, Russland zu destabilisieren, also einen Regimewechsel zur Durchsetzung der westlichen Interessen zu provozieren. Das ist allerdings ebenfalls höchst gefährlich, denn Putin verhält sich gegenüber den Zumutungen und Aggressionen des Westens relativ moderat und deeskalierend. Käme es zu einem Machtwechsel in Moskau, könnte eine neue Regierung ganz anders reagieren – und das hätte schwerwiegende Folgen.
Übrigens merke ich selbst eine weitere besorgniserregende Entwicklung: Kritiker der unverantwortlichen Politik und Informationsvermittlung in Presse, Funk und Fernsehen sehen sich seit einiger Zeit einer dreisten Gegenpropaganda ausgesetzt: Sie werden diffamiert und sind von Existenzentziehung bedroht.

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Wolfgang Bittner lebt als Schriftsteller in Göttingen. Der promovierte Jurist verfasst Bücher für Erwachsene, Jugendliche und Kinder, erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen und ist Mitglied im PEN. Von 1996 bis 1998 gehörte er dem Rundfunkrat des WDR an, von 1997 bis 2001 dem Bundesvorstand des Verbandes deutscher Schriftsteller. Er übernahm Lehrtätigkeiten im In- und Ausland, darunter Gastprofessuren in Polen. Wolfgang Bittner war freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen und veröffentlichte mehr als 60 Bücher. 2017 erschien im Westend Verlag der Satire-Band „Die Abschaffung der Demokratie“. Weitere Informationen: www.wolfgangbittner.de.
Das neue Buch von Wolfgang Bittner. (Foto: Westendverlag)
Das neue Buch von Wolfgang Bittner. (Foto: Westendverlag)
Wolfgang Bittner: „Die Eroberung Europas durch die USA“. In seinem Buch beschreibt Bittner die Rolle der USA als bestimmender Faktor der politischen Entwicklung im Osten Europas. Er schildert, wie mit geheimdienstlichen Mitteln Umstürze vorbereitet, die zentralen Medien beeinflusst und die Souveränität der europäischen Staaten unterlaufen wird. Chronologisch, vom Beginn der Maidan-Ereignisse bis zu den Entwicklungen im September 2015, schildert und analysiert Wolfgang Bittner die verhängnisvolle Einflussnahme der US-amerikanischen Regierung auf die zentralen Medien und die Politik Europas. Ein Appell an die Vernünftigen in Europa und den USA, den politischen Absturz aufzuhalten.
Wolfgang Bittner: „Die Eroberung Europas durch die USA“. Westend Verlag, 192 Seiten, 14,99€. Bestellen Sie das Buch hier direkt beim Verlag.
Oder kaufen Sie es im guten deutschen Buchhandel  das Buch ist überall erhältlich. Wir unterstützen den Buchhandel ausdrücklich, er muss gefördert werden!
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Germanwings crash pilot was ‘not depressive,’ father claims (VIDEO)

Germanwings crash pilot was ‘not depressive,’ father claims (VIDEO)
Exactly two years after the tragic Germanwings crash which killed all on board, the father of the co-pilot blamed for the incident has held a press conference to dispute claims that his son was depressed and plead his son’s innocence.
On March 24, 2015, the Germanwings flight between Barcelona and Düsseldorf crashed into a mountainside, killing all 150 passengers and crew on board.
In January 2017, German prosecutors concluded that the co-pilot, Andreas Lubitz, 27, was suicidal and intentionally flew the Germanwings plane into the ground.
Günter Lubitz, Andreas’ father, disputes the claims that his son was depressed and suicidal while also claiming that all possible leads had not been explored by investigators.
Günter told the media Friday that he had been working with journalist Tim van Beveren, whom he described as "an internationally recognized aerospace expert," to discover the truth about the incident.
"I was very surprised that the French investigators found the cause of the accident after just two days," van Beveren said, claiming that authorities had “poisoned” the investigation.
Families of the victims held vigils throughout the day, including at the crash site, but criticized the timing of Lubitz’ press conference as insensitive.
"No matter which day I choose, the reactions would always be the same. We didn't choose this day to hurt the other people who are concerned,” Lubitz said. “We chose this day because we would get the most attention for our message. Attention for the message that at the moment of the crash our son was not depressive.”
Christoph Kumpa, the Düsseldorf prosecutor who led the investigation, said Friday that Lubitz had“suffered for months from insomnia, was anxious about his eyesight, and was suffering doubt," while also asserting that prosecutors, “never claimed that [Lubitz] was depressive,”reports The Local.
"It was already clear [for the investigators], that it was the pilot, so all other possibilities can be ignored. It has to be the pilot. And that is dangerous, because then things are suddenly blended out which possibly could have been related," van Beveren told the press.
“We all have presumptions, but presumptions are not evidence. And media are reporters, not judges."