China gründet eine Entwicklungsbank – und alle machen mit. Exfinanzminister Summers ist sicher, dass sein Land den Status einer ökonomischen Supermacht verloren hat

Von Rainer Rupp
Führt womöglich bald kein Weltherrschaftsgremium mehr: Die Chefi
Führt womöglich bald kein Weltherrschaftsgremium mehr: Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, im Februar in Brüssel
Die USA haben laut Lawrence (Larry) Summers soeben ihren Status als ökonomische Supermacht verloren. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank und US-Finanzminister leitete zeitweise den nationalen Wirtschaftsrat Präsident Barack Obamas und lehrt derzeit in Harvard als Wirtschaftsprofessor. Es ließ aufhorchen, als er diese Woche im US-Finanzportal zerohedge.com erklärte, dass im März »der Moment« gekommen war, »an dem die Vereinigten Staaten ihre Rolle als Emissionsbank des globalen Wirtschaftssystems verloren haben«. Er bezog sich damit auf die Gründung der von China ins Leben gerufenen Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) am 31.3. dieses Jahres.
Die AIIB ist eine multilaterale Entwicklungsbank, die nicht nur im Wettbewerb zu den US-dominierten Bretton-Woods-Instituten Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) sowie der Asiatischen Entwicklungsbank (AEB) steht. Sie dürfte diese – so fürchten viele Experten – schon bald in den Schatten stellen. Der Ansicht scheint auch Summers zu sein. Sieht er doch in der AIIB viel mehr als nur einen Versuch Chinas, für Asien eine Alternative zu den US-dominierten Finanzinstitutionen zu schaffen. Das Ziel sei, die globale Rolle der USA und des Dollars zurückzudrängen.
Mit einer solchen Entwicklung sei schon lange zu rechnen gewesen. Und die USA seien an ihrem Dilemma selbst Schuld, so Summers. Vor dem Hintergrund von Chinas wachsender wirtschaftlicher Größe, die sich inzwischen mit der der USA messen könne, sei das Reich der Mitte zusammen mit den Schwellenländern für mindestens die Hälfte der Weltproduktion verantwortlich. Deshalb habe eine »erhebliche Anpassung der Weltwirtschaftsarchitektur« an die neuen Bedingungen längst auf der Tagesordnung gestanden. Doch der innenpolitische Druck von beiden Seiten des politischen Spektrums im Kongress auf die Obama-Administration habe die USA zu einem »dysfunktionalen« Akteur auf der ökonomischen Weltbühne gemacht.
Ursprünglicher Anlass zu Chinas AIIB-Initiative war Pekings Unzufriedenheit darüber, dass trotz ständiger US-Lippenbekenntnisse für eine faire Umverteilung der Stimmrechte in IWF, Weltbank und AEB entsprechend der globalen Wirtschaftsstärke, Washington faktisch jegliche Änderungen die die eigene Dominanz dort in Frage gestellt hätten, blockierte. Dies war hauptsächlich dem Druck der immer stärker von wahnhaften Machtphantasien besessenen Republikanischen Kongressmitglieder geschuldet. Zugleich aber haben die Parteigänger der Demokraten den drei Finanzinstitutionen unerträgliche politische Beschränkungen bei der Vergabe von Krediten auferlegt. Letzteres hat zu einem Rückgang des Einflusses von ADB, IWF und Weltbank und damit auch der USA in vielen Entwicklungsländern geführt, obwohl diese bei den dringend notwendigen Infrastrukturprojekten heute mehr denn je auf externe Finanzierung angewiesen sind.
»Vor diesem Hintergrund nicht eingehaltener Versprechen und der von den USA in den Institutionen betriebenen Politik der Blockierung (…) war der Weg frei für China, die Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank zu schaffen«, fasst Summers die Entwicklung zusammen. »Seit Bretton Woods (Gründung des IWF und des vom Dollar regierten Weltwährungssystems im Jahr 1944 im gleichnamigen Städtchen in New Hampshire) kann ich mich an kein anderes Ereignis erinnern, das mit der Tragweite von Chinas Gründung einer bedeutenden Institution und des zeitgleichen Unvermögens von Amerika, Dutzende seiner traditionellen Verbündeten vor dem Beitritt zu dieser Institution abzuhalten, vergleichbarer ist«, so Summers weiter.
Laut Homepage der AIIB mit Stand vom 10. April stehen neben China 36 weitere Länder auf der Liste der »angehenden Gründungsmitglieder«. Trotz intensiven Drucks der USA, zur neuen AIIB Abstand zu halten, sind dort nicht nur Deutschland, Frankreich und Italien aufgeführt, sondern ist auch engste US-Verbündete, das britische Schoßhündchen. Auch Saudi-Arabien und  andere finanzkräftige Golfstaaten haben sich in diesem Falle auf die Seite der Chinesen geschlagen. Von Indien über Vietnam, Indonesien bis Südkorea haben alle asiatischen Staaten mit Ausnahme der Demokratischen Volksrepublik (Nord-)Korea und Japan, die kein Interesse zeigen, das AIIB-Gründungsmemorandum unterschrieben. Russland, Australien und viele andere Länder haben sich beworben.
Die USA stehen an diesem wichtigen Punkt so gut wie alleine da. Außer dem schon erwähnten Japan hält nur noch das Protektorat Kolumbien Washington die Stange. »Amerika verliert Machtkampf mit China«, titelte Mitte März die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Auch wenn man den üblichen medialen Alarmismus unterstellen darf: »nach Meinung aller Beobachter« ginge es bei dem Streit um die AIIB um nichts weniger als »den Einfluss der Großmächte in Asien und vielleicht auch bald in der Welt«.